Statt Fahrpreiserhöhung: Nulltarif sofort!

Am 1. Januar 2011 ist es mal wieder so weit: Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr
(VRR) setzt erneut eine Tariferhöhung um ca. 4 % in Kraft.
Auch wenn die Fahrpreise dieses mal 17 Monate unverändert geblieben sind,
so wurden seit dem Jahr 2000 regelmäßig mindestens einmal im Jahr (2006
sogar zweimal) die Preise erhöht. So sind in den letzten fünf Jahren beim
VRR bei jeder Tariferhöhung die Preise um durchschnittlich 4-5 % angehoben
worden.

In erster Linie werden dabei diejenigen zur Kasse gebeten, die sich keine
Monatskarten oder Mehrfachtickets leisten können. Das ist auch dieses mal
der Fall.

Umverteilung von Unten nach Oben

Ausgelöst wurde die Preisexplosion durch die erhebliche Reduzierung der
Landesleistungen für die kostenlose Beförderung Schwerbehinderter, den
Schüler- und Ausbildungsverkehr sowie für die Fahrzeugförderung, die von
2000 bis 2005 eine Verminderung der Zuschüsse um fast 50 Millionen Euro
jährlich zur Folge hatten.
Daneben stehlen sich zunehmend die Kommunen aus der Verantwortung für
den öffentlichen Personennahverkehr. Sie ziehen es vor, die zur Verfügung
stehenden Steuereinnahmen etwa in nutzlose Prestigeprojekte zu stecken,
anstatt sie zur Verbesserung der Lebensqualität aller Menschen einzusetzen.
Obwohl die Einnahmen des VRR im letzten Jahr um satte 40 Millionen Euro
gestiegen sind, droht der Vorstand bereits mit weiteren Preiserhöhungen „zur
Entlastung der Kommunen“.
Die meisten Menschen sind aber auf öffentlichen Personennahverkehr
angewiesen, um zur Arbeit zu fahren. Daher kommt jede Fahrpreiserhöhung
einer indirekten Lohnsenkung gleich. Für Arbeitslose, Erwerbsunfähige,
Flüchtlinge oder Geringverdiener kommt das einer Art von Hausarrest gleich.

„Sozialticket“

Für BezieherInnen von Hartz IV und Grundsicherung (Rentner und chronisch
Kranke) sind monatlich 11,23 Euro für Fahrten mit Bus und Bahn vorgesehen.
In diesem Budget sind mit einem Einzelticket der Preisstufe A noch nicht
einmal drei Fahrten Hin- und Zurück (bzw. gerade einmal ein Viererticket)
enthalten. Mehr ist da nicht drin!

Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung des VRR zum 1. Juni 2011 ein
„Sozialticket“ für 22,50 Euro anzubieten unverschämt und zynisch. Während
sich der überwiegende Teil der Anspruchsberechtigten dieses „Sozialticket“
also nicht leisten kann, werden die Fahrpreiserhöhungen für Einzel- und
Mehrfachtickets sich umso mehr auswirken.

Mobilität ist ein Menschenrecht

Während Reise- und Bewegungsfreiheit als wertvollste Errungenschaften
der existierenden Gesellschaftsordnung gefeiert werden, ist tatsächlich für
Hunderttausende selbst eine Fahrt ins nächstgelegene Stadtzentrum fast
unmöglich. Dabei ist Mobilität die Voraussetzung dafür, um etwa zu Behörden,
zum Arzt oder zu Hilfs- und Beratungseinrichtungen zu gelangen. Natürlich
auch, um die schönen Seiten des Lebens genießen zu können, Freunde zu
besuchen, an Veranstaltungen teil zu haben oder einfach nur ins Grüne zu
fahren. Jeder Mensch hat das Recht sich frei bewegen zu können.

Umsonstfahren

Da es vielen Menschen nicht mehr möglich ist die steigenden Fahrpreise
zu bezahlen, sind sie geradezu zum „Schwarzfahren“ gezwungen. Viele
Menschen sind aber auch nicht mehr bereit einen immer größeren Anteil
ihres schrumpfenden Einkommens zur Verwirklichung ihres Rechtes
auf Bewegungsfreiheit zu verschwenden. So hat sich die Anzahl der
Umsonstfahrer laut „Verband Deutscher Verkehrsunternehmen“ in den
vergangenen Jahren auf fünf Prozent verdoppelt – bei Schwerpunktkontrollen
steigt die Anzahl sogar auf bis zu zehn Prozent.
Solche Beispiele individueller Überlebensstrategien wollen wir aufgreifen und
zu gemeinsamer Aktion ermutigen. Gegen Ausgrenzung und Verelendung
setzen wir unsere Solidarität.

Möglichkeiten gibt es genug: Wer z.B. auf seinem Fahrausweis
Leute mitnehmen kann, sollte bereits an der Haltestelle versuchen
Fahrgemeinschaften zu bilden und seine Bereitschaft durch das tragen des
rotten Buttons signalisieren. Wenn der Fahrschein nach dem Aussteigen
noch gültig bleibt, sollte er auf den Ticketentwerter gelegt werden,
damit andere ihn benutzen können… Außerdem versichert etwa der
Sprecher der Düsseldorfer Rheinbahn, Georg Schuhmacher, dass im
Falle defekter Automaten selbstverständlich keine Verfolgung wegen
„Beförderungserschleichung“ erfolge (WZ vom 25.5.2009).

Nulltarif

Wir fordern unser Recht auf Bewegungsfreiheit ein, sodass Mobilität nicht
mehr als Ware gehandelt wird, sondern allen kostenlos zur Verfügung steht.
Wir fordern Nulltarif!
Nur so kann allen Menschen eine Teilhabe am öffentlichen, sozialen und
kulturellen Leben ermöglicht werden. Nur so können mehr Menschen
veranlasst werden ihren privaten PKW stehen zu lassen und auf den
öffentlichen Personennahverkehr umzusteigen. Dadurch wird die Umwelt
besser geschützt und die Lebensqualität durch Verminderung von Stress, Lärm
und Gestank deutlich erhöht werden.
Konkrete Beispiele für Nulltarif gibt es jedenfalls genug: Im belgischen Hasselt
zum Beispiel wird Nulltarif in öffentlichen Verkehrsmitteln bereits über zehn
Jahre mit großem Erfolg praktiziert und es spricht nichts dagegen, es auch hier
zu versuchen.
Denn warum werden etwa Straßen für die kostenlose Nutzung durch
den Autoverkehr mit Steuergeldern finanziert, während in öffentlichen
Verkehrsmitteln Fahrpreise erhoben werden?

Alles für Alle

Wir laden euch ein, selber aktiv zu werden – selber umsonst zu fahren oder
UmsonstfahrerInnen zu unterstützen. Ab jetzt nehmen wir uns was wir
brauchen: Bus und Bahn für alle, und zwar umsonst!
Wir haben es satt um kleine Zugeständnisse zu bitten – Wir nehmen uns
einfach unser Recht auf Mobilität ohne dafür zu zahlen. Und das nicht
heimlich, still und leise, sondern offen und laut, denn es gibt nichts wofür wir
uns schämen müssten. Wir holen uns nur das zurück was uns sowieso gehört.

Alles für Alle, und zwar umsonst!
Nulltarif sofort!